Aus „Was bleiben wird“
 
Wir wissen nicht genau, wohin wir fahren. Die Einheimischen geben verschiedene Auskünfte und laden uns zu einem Imbiss ein. „Heute“, sagen sie, „kann man nicht hoch auf den Vulkan.

 

 

– „Crazy!! Crazy!! Morgen geht es. Heute – crazy!“ Die Samstagnacht ist schwül und nervend. Selbst in den kleinen Siedlungen am Weg. Das Auto haben uns Freunde geliehen: „Außer der Heizung funktioniert alles.“ Wir lachen. Draußen sind 40 Grad oder mehr...

 

 

Auf dem Vulkan gibt es zwei Seen, zwei kleine Krater, Mond und Sonne. Wenn der Vulkan ausbricht, fliegen die Seen zum Himmel auf wie Sektkorken, hinterher alles andere, glutrot, schrecklich, heiß...

 

 

Zwei kleine Krater – zwei schwarze Augen zum Mittelpunkt der Erde gerichtet. Wir wollen unbedingt dort hin. Gesagt, getan – wir fahren. Ich, Ljoscha, Oleg und Lena. In einem Dorf kaufen wir durch die Hintertür Tequila. Die Leute wollen nichts herausrücken, verkaufen ungern und für teures Geld...

 

 

„Die Mexikaner trinken jetzt nicht mehr, sehr viel weniger, es ist nicht gut für uns. Bald wird es hier keinen Schnaps mehr geben. Unsere Kraft kehrt zurück.“ Die Läden sind geschlossen, auf einer Türschwelle liegen zwei riesige Zwiebeln. Wir stecken sie ein...

 

 

Unverhofft fängt es an zu regnen. Nicht einfach Regen, ein Regen wie ein Schrei, wie ein Fest, eine Geburt! Es hört schnell wieder auf. Jetzt senkt sich die rote Sonne. „Da müsst ihr lang! Habt ihr denn keine Augen im Kopf?“ – lacht ein Onkelchen, „dort ist der Vulkan!“ Wir starren ins Dunkel. Wir sehen nichts. Und am Straßenrand kommen keine Dörfer mehr.

 

Das ist klar. Der Weg steigt allmählich an, in Windungen und Kehren. Wir hoffen, dass wir in Richtung Vulkan fahren. Unsere Karte ist schlecht.

 

 

Im Handschuhfach finden wir eine bessere. „Moment mal“, meint Ljoscha, „so einfach ist das nicht“. Das sind 3.900 m über dem Meeresspiegel. Der Wagen kriecht weiter und Schweigen erfüllt die Nacht.

 

 

Wegränder, kein Abhang zu sehen, kein Platz zum Wenden, wir schrammen eine Felswand und kriechen nach oben. Plötzlich rutschen wir auf der Stelle. Ich halte vorsichtig an und öffne die Tür. Ich werde zurückgeworfen. Eisiger Wind.

 

 

Ich muss an Roerichs Expedition denken, an die im Sattel zu Eis erstarrten Reiter. Der Weg ist vereist. Und es ist sehr, sehr kalt. Die Heizung im Auto ist ausgefallen und weiter geht es nur nach oben. Wir haben nur T-Shirts an, wir sind allein und wissen nicht genau wo. „Das ist eine gute Übung“, sagt Oleg.

 

 

Lena bekommt drei Plakate und Zellophanbeutel für die Füße. „Und was wird mit dem Tequila?“ Den hatten wir ganz vergessen. Das Auto steht, uns scheint, dass wir an etwas denken, aber in Wirklichkeit trinken wir Tequila und essen die Zwiebeln dazu. Ljoscha steckt sich eine Zigarette an und niemand verlangt, dass er aussteigt.

 

 

 

Ich fahre an. Ich bin betrunken. Der Wagen folgt den Eisrinnen. Aber im Auto können wir nicht übernachten. Wir werden umkommen. Das ist klar. Vielleicht gibt es weiter oben etwas. Jetzt liegt ringsum Schnee. Eine unwahrscheinlich scharfe Linkskurve. Man kann nicht einmal herumfahren.

 

 

Lena hält die Bremse und wir schieben und heben das Heck an. Eine Leitungsmast. Ein vertrautes Eisending... Ich reiße etwas unter dem Lenkrad ab, damit uns der Motor wärmt. Und wir schlafen ein. Niemand dachte daran, dass uns das Benzin ausgehen könnte.

 

 

Die Sonne kam wie das Leben und wir sangen wie Vögel und rannten los. Das also hatten sie gemeint! Erst werdet ihr beinahe umkommen und dann kommt die Sonne und ihr werdet crazy sein. Wir hatten es tatsächlich bis auf den Gipfel geschafft, in der Dunkelheit hatten wir sogar die Kontrollposten und das Tor übersehen.

 

 

Die Hitze kam augenblicklich. Und wie es bei „DEREVO“ üblich ist, kamen wir für den Rest des Tages in Fahrt. Die Welt ist unbeschreiblich schön. „Die leuchtende Disziplin der Welt“ (Lena)...

 

 

Ich lag auf dem Rücken am Kraterauge und schlief ein. Ich wurde wach, weil ich ganz nass war. Aber das war kein Regenschauer. Ich hatte eingemacht. Das Gesicht war auch nass. Es waren Tränen. Ich wusste nicht, dass man im Schlaf weinen kann. Aus mir war alles herausgeflossen.

 

Und ich entschloss mich, den Mondkrater zu durchschwimmen. Mein Urin und meine Tränen flossen in die Tiefe.

                                               
                                             
                                               
                                         
                                                     
                                                   
                                                   
                     
           
         
 
         
   
           
                 
                           
                                           
                                           
                                                   
                                             
                                         
                                       
 
 
   
 
 
 
One step further...