Mit
dem Sandsteinrelief des Dresdner Totentanzes besitzt die Dreikönigskirche
eines der bedeutendsten und ältesten Bildwerke der Stadt Dresden.
Das unter der Orgelempore eingefügte, über 12 m lange Relief
mit seinen 27 Figuren entstand 1534 und ist damit älter als der Kirchenbau
selbst.
Ursprünglich befand sich der Totentanz als
Teil eines großartigen Bildprogrammes an der Fassade des sogenannten
Georgentores, einem repräsentativen Erweiterungsbau des Dresdner
Residenzschlosses unter Herzog Georg. Das wegen seiner Schönheit
und Eigentümlichkeit viel gerühmte Gebäude brannte 1701
aus und wurde später vollkommen umgebaut. Der schon zu dieser Zeit
berühmte Totentanz blieb dank der Initiative des damaligen Pfarrers
der Dreikönigskirche erhalten und kam als Geschenk Augusts des Starken
in deren Besitz. Seit 1721 wechselte das Bildwerk mehrfach seinen Standort.
Zuletzt befand es sich auf dem Inneren Neustädter Friedhof, ehe es
nach langwierigen Konservierungsarbeiten einen würdigeren Platz in
der Dreikönigskirche fand.
Besondere Beachtung verdient der Dresdner Totentanz
vor allem dadurch, dass er unter den zahlreichen Totentanzdarstellungen
des späten Mittelalters als plastische Gestaltung in dieser Dimension
wohl einmalig ist. Auch zeigt der Dresdner Totentanz nicht, wie sonst
üblich, den Tod im paarweisen Zwiegespräch mit dem Todgeweihten,
sondern als Anführer eines langen Reigens von Vertretern verschiedener
Stände. Ihm folgen zunächst die Vertreter des geistlichen Standes
mit dem Papst, Kardinal, Bischof, Abt, Domherrn, Priester und dem Mönch.
Mit einer trommelnden Todesgestalt wird der Zug mit den weltlichen Standesvertretern
fortgesetzt. Dabei erhielten die führenden Repräsentanten sogar
poträthafte Züge. So schreiten hinter dem Tod Kaiser Karl V.,
König Ferdinand, Herzog Georg und sein Sohn Johann, gefolgt von einem
Ritter, Edelmann, Ratsherrn und dem Handwerker sowie dem Landsknecht,
Bauern und Bettler. Die weiblichen Standesvertreter mit der Äbtissin,
einer wohlhabenden Bürgersfrau und einer Marktbäuerin sind als
separate Gruppe zusammengefasst. Eine eigene Gruppe bilden auch der reiche
Mann mit dem Geldsack, ein nach dem Geld greifendes Kind und ein armer
Greis. Während die Figurenfolge der Standesvertreter die Unausweichlichkeit
der menschlichen Gesellschaft vor dem Tod vor Augen führt, ist die
letztgenannte Gruppe ein Hinweis auf die Nichtigkeit von Reichtum und
Alter.
Eine
umfassende inhaltliche Deutung des Bildwerkes ist jedoch erst im Zusammenhang
mit dem ikonographisch komplizierten Bildprogramm der Fassadengestaltung
des einstigen Georgentores möglich. Die zur Elbbrücke gerichtete
Nordfassade mit dem Totentanz war dem Thema des Todes durch die Erbsünde
gewidmet. Dem gegenüber symbolisierte die Südfassade mit ihren
Bildwerken die Überwindung des Todes durch den Opfertod Christi.
Auf einer großen Schrifttafel wurde darüber hinaus betont,
dass der Glaube an die Erlösung sich in guten Werken beweisen muss.
Der Georgenbau mit dem Totentanz entstand in einer
Zeit spannungsvoller religiöser und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen.
Die Ideen Luthers erlangten zunehmende Popularität. Herzog Georg,
zwar an einer Reformierung kirchlicher Missstände interessiert, wandte
sich erbittert gegen die Reformbestrebungen Luthers. Mit dem Bildprogramm
des Georgentores reagierte er auf die Herausforderung der Reformation
und stellte ihr eine eigene theologische Konzeption gegenüber. Der
Totentanz ist somit als Teil eines theologischen Bekenntnisses des katholischen
Herzogs am Ende seines Lebens zu verstehen.
Die porträtierte Darstellung noch lebender Herrscher
verlieh dem Bildwerk politische Aktualität als monumentale Mahnung.
Als Schöpfer des einst farbig gestalteten Bildwerkes
konnte durch stilistische Untersuchungen Christoph Walther I. nachgewiesen
werden.
Im Laufe seiner wechselvollen Geschichte erlitt das
Sandsteinbildwerk teilweise erhebliche Schäden. Die 1991 abgeschlossene
Restaurierung unter der Leitung des Landesamtes für Denkmalpflege
Sachsen verfolgte das Ziel, durch behutsame Konservierungsmaßnahmen
das Sandsteinrekief in seiner Originalsubstanz zu erhalten. Auf Formergänzungen
verlorener Teile wurde bewusst verzichtet.
Dr. phil. Arndt Kiesewetter
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