DEREVO e-life

AKTUELL - 09.03.2011 - Die Eule

09. 03. 2011, 20:46 | by DEREVO
englishрусский

AKTUELL - Archiv

Wir und AKHE sind Freunde. Nicht mehr und nicht weniger. Manchmal küssen wir uns zur Begrüßung. Manchmal gehen wir einander jahrelang aus dem Wege. Wir sind Frauen, ungeachtet der Länge unserer Hosen und der dichten Bärte.

Dieses Jahr konnte ich leider nicht die Äffchen besuchen, ich habe meinen Leib kuriert. Ich hoffe, dass sie auch ohne mich ihre Bananen serviert bekommen.

Aber wenn sich nun einmal die Gelegenheit zum Nichtstun bot, beschloss ich, mich dem Müßiggang ganz in der Nähe zu überlassen, in einem Sanatorium, wo es Radonbäder gibt.

Man darf diese Bäder nicht mehr als dreimal wöchentlich anwenden. In diesem Ort ist das Radon besonders stark. 700 in irgendwelchen Einheiten. Aber man kann sich einig werden… Und so lag ich jeden Tag darin.

Und dann geschah es.

Die Sonne kam hervor, der Chef der Bäderabteilung hatte mich mit einer Plane zugedeckt und die Badewanne ins Freie gerollt. Es war Februar, es lag Schnee und die Sonne blendete. So lag ich nun, nur der Kopf schaute heraus.

Ich musste niesen. In dem Moment glitt ein Schatten heran, und auf meinem Bauch (auf der Lederabdeckung) ließ sich eine Eule nieder. Ich erschrak. Das ist normal. Ich schielte zur Seite, und ich sah, wie der Bäderchef mir vormachte, was ich tun sollte: die rechte Backe aufblasen und mit dem Finger dagegen klopfen.

Meine Hände sind in das Radon getaucht. Die Eule ist ganz nah. Ich ziehe eine Hand heraus und klopfe gegen die Backe. Die Eule zuckt mit den Schultern (so scheint es mir), zieht sich zum Rand der Badewanne zurück und richtet ihre Augen wie eine Doppelflinte auf mich. Ich kann nirgendwo anders hinschauen. Ich sehe ihr in die Augen.

Es kann sein, dass ich eingenickt bin. Vielleicht lag es an dem Radon. Vielleicht daran, wozu ich lebe…

… ich laufe irgendwo hin mit einer Menschenmenge. Lärm. Ein Bahnhof, aber wie an einem Feiertag.

Durch die Rücken der Menschen hindurch sehe ich eine Vorstellung… Es ist AKHE. Sie hängen über einer Bühne. Die Arme und Beine stecken in Schlingen, ebenso alle Möbel… ich erinnere mich nicht, was sie tun. Irgendetwas Einfaches. Alle wissen das und wollen weiter.

Aber es geht nicht weiter, weil die ganze Vorstellung nach unten sinkt.

Die Bühne hat keinen Boden und die Zuschauer rennen eine Etage tiefer, um die Fortsetzung zu sehen.

Hier ist die Vorstellung kürzer… Es geht immer schneller abwärts. AKHE wirkt sehr konzentriert.

Die Anordnung der Seile scheint etwas zu diktieren. AKHE ist nie ein Theater gewesen. Jetzt kann das jeder sehen. Sie sind die Schaffner auf dem Weg nach unten. In diesem vielgeschossigen Supermarkt. Ich kann nicht weiter mit den anderen nach unten laufen. Ich biege ab in eine Warenabteilung. Ein Verkäufer herrscht mich an. Nicht anfassen!..

Ein plötzlicher Zornesausbruch. Ich schleudere irgendeinen Gegenstand auf den Fußboden, laufe über eine Treppe. Die Menschen werden weniger, AKHE bewegt sich immer schneller. Ich ahne, dass sie die Segel setzen. Sie selbst sind auf den Masten. Ich ahne, wie es ausgehen wird, renne nach unten… immer tiefer… ein Personaleingang … tiefer… Mit mir laufen noch einige ebenso ernste Menschen… Über uns ist ein Loch, und von oben her schallt der Beifall. Pascha und Maxim sinken unaufhaltsam und mit äußerster Präzision. Ich und noch einige Zuschauer, es sind Männer, stehen am Rand eines mit Wasser gefüllten Kraters. Darin wird AKHE gleich versinken. Ich kann es nicht aufhalten. Und ich werde es nicht sehen. Ich sehe die umher stehenden Männer an. Sie sind sehr russisch gekleidet, in Schwarz und Grau. Die Farben von AKHE sind wundervoll, wie die der Briefmarken aus Guinea…

Ich sehe die Eule an. Das Lämpchen blinkt. Es ist Zeit aus dem Bad zu steigen. Mein Finger liegt noch an der Backe, er ist fast erfroren.

 


 

Zeichnung von Elena IarovaiaFoto - Elena IarovaiaAVIA in Concert. St Petersburg, Feb. 2011. Foto - Elena IarovaiaMaxim Issaev. Foto - Elena Iarovaia
Bad Brambach. Foto - Elena IarovaiaZeichnung von Vadim VasilievBe there... Foto - Anton AdassinskyPavel Semtchenko bei der Aktion WEISSE FESTUNG. Foto - Silvio Dittrich

 

Text: Anton Adassinsky
Übersetzung: Rainer Jäckel
Fotos: Elena Iarovaia, Silvio Dittrich, Anton Adassinsky
Bilddesign: Elena Iarovaia