
Ich kann den Fragen nicht aus dem Weg gehen.
- Sagen Sie, Anton, wovon handelt Ihr neues Stück „Die Diagnose“?
Wieder klaube ich nach den passenden Worten, um niemandem zu nahe zu treten, und damit ich selber nicht heulen muss von dem Geschwafel, das ich vorbringe.
O. k. Ich bin sicher ein wohlhabender Mann (Slava, reich mal ’ne Million rüber!) Ich kaufe mir keine Sachen, obwohl ich die Schaufenster anstarre, wie die koreanischen Frauen unseren Dima Abramov.
DEREVO besitzt alles was es braucht, um seine kreativen Ideen umzusetzen.
In der Brieftasche steckt neben dem Führerschein ein Foto von Bonnie Parker. Ausgezogen sieht sie aus wie Lena Iarovaia oder Schtyk.
Essen kann ich nicht, obwohl ich seit 10 Jahren Hunger habe. Ich müsste 59 Kilo wiegen. Zwischen den Proben und Vorstellungen werde ich wahnsinnig und brülle die Partner an. Ich habe gelernt, tagsüber zu schlafen und dort hinzugehen, wo ich hin muss.
Also, die Diagnose.
„DIE DIAGNOSE“
Im April 2006 wurde bei mir Hepatitis C in einem gewissen Endstadium festgestellt.
Wir nahmen eine Kamera mit ins Krankenhaus.
Mit hohler Stimme erklärten die Ärzte, dass mir noch drei Jahre bleiben, von denen das letzte äußerst unerfreulich sein würde. Alissa machte nach einigem Zögern eine Großaufnahme von mir. Ich sah sehr böse drein.
Oder eine Intensivtherapie, sechs Monate. Die Chancen sind der letzten Statistik nach zu 37 % positiv, zu 63 % negativ. Das Medikament ist neu, die Wirkung wenig untersucht. Wegen der Nebenwirkungen darf ich nicht unter Menschen sein. Depressionen, Schwäche, Fieber, Klaustrophobie und weiß der Teufel was noch…
Nur unter ärztlicher Aufsicht. Immerhin, eine Chance. Ich ließ mich auf die Therapie ein.
Um das Krankenhaus konnte ich mich nach langem Papierkrieg drücken. 672 Tabletten und 96 Injektionen. In Edinburgh wog ich nur noch 55 Kg und begann zu glauben, dass die Wirkung dieses Chemiezeugs tatsächlich wenig untersucht ist, so dass man mich hätte untersuchen müssen.
Vieles ist mir passiert… An manche Vorstellungen erinnere ich mich nur dunkel. Die Jungs wussten was los war. Sie haben sich mit Bravour gehalten. Wenn sie auch sagen, dass ich manchmal nicht ganz ich selbst gewesen sei.
Nach der sechsten Kontrolluntersuchung im März 2007 vor der Totentanz-Vorstellung in der Dreikönigskirche sagte meine liebe Ärztin, dass ich gesiegt hätte. Alissa hat ihre Hände fotografiert. Wir haben uns länger umarmt als wir es sonst tun.
Ich sagte es den Jungs. Als ich meine Stimme hörte, wurde mir klar, dass das ein anderer Anton war. Der alte war irgendwann im letzten Sommer fortgegangen. Alle meine Auftritte nach Edinburgh – „Mad in Japan“, „Tango der Wölfe“ in Kronstadt, „Kreuze und Nullen“, die Aktionen, meine Tänze, „Robert’s Dream“, „Die Diagnose“, die Interviews und die weißen Kontaktlinsen sind Schöpfungen eines anderen menschlichen Wesens. Vorerst müssen wir damit leben.
Die Form des Stückes ist eine Rückblende auf die Übergroße Liebe, die im März 2006 den Himmel verdeckte. Anliegen des Stückes ist es, dem alten Anton zu begegnen.
In dem Stück werde ich bekleidet sein.













Originaltext: Anton Adassinskij
Übersetzung: Rainer Jäckel
Foto: Anton Adassinskij, Maxim Didenko, Elena Iarovaia
Fotodesign: Elena Iarovaia