DEREVO e-life

AKTUELL - 31.12.2011 - Guten Rutsch!

31. 12. 2011, 16:44 | by DEREVO
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Du schläfst.
Eingerollt, das Kissen im Arm, in die Decke gekuschelt.
Das ist die Nacht.
Und du schläfst,
Und niemand weiß, wer du sein wirst am klingenden Morgen.
Welches Panzerhemd du dir anziehst. Ob du Politiker sein wirst, eine treue Gattin, ein alter Mann und…
Du schläfst, und auch der schläft, den du sehen wirst im Fadenkreuz des Gewehrs, oder in einem Laden, mit einer Avocado in der Hand…
Und auch die, wegen der du die Bahn verpasst, liegt im Schlaf…
Wir sind Kinder in dieser Nacht
Und es ist nicht wichtig, von wie viel Reichtum du träumst, und wie groß das Bild ist über dem Bett. Und die zitternden Diener vor der Tür, die alle zehn Minuten den Kaffee austauschen, damit er nicht kalt wird.
Und für alle gibt es das eine Bett, das eine Haus, die eine Welt.
Wir schlafen, und, Herr, lass uns noch etwas ruhen, bis wir wieder in die Panzer des Lebens schlüpfen.
Ich weiß, dass ich aufstehe und werde, der ich sein muss, der ich sein soll, der ich bin aus Gewohnheit.
Aber jetzt ……… — kein Krieg, kein Verrat, keine Mühen.
Wir schlafen
Wie Kinder
Und
Auch ich will, so wie du
Lieben und Liebe empfangen.
Mögen Uns Jene Vergeben, Die Wir Am Tage Kränken Werden!
Auch sie haben diese Nacht geschlafen und mir Gutes gewünscht.
Ich schlafe.

Alles Gute im Neuen Jahr!

 

 

Anton Adassinsky & Daniel Williams. Foto: S. NeuhausFoto: Igor FominFoto: T. BelousovaDEREVOs erstes Plakat entdeckt in 2011 in Bukarest. Foto: Igor FominMEPHISTO WALTZ. Foto: T. Belousova
Aus dem DEREVO-Film &quote;DOPPIO&quote;. Foto: Anton AdassinskyFoto: Nastja PonomarewaAus dem DEREVO-Film &quote;DOPPIO&quote;. Foto: Nastja PonomarewaGuten Rutsch! Foto: S. Neuhaus

 

Text: Anton Adassinsky
Übersetzung: Rainer Jäckel
Foto: Anton Adassinsky, Igor Fomin, Nastja Ponomarewa, S. Neuhaus, T. Beloussowa
Video: Nastja Ponomarewa

 

AKTUELL - 09.03.2011 - Die Eule

09. 03. 2011, 20:46 | by DEREVO
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AKTUELL - Archiv

Wir und AKHE sind Freunde. Nicht mehr und nicht weniger. Manchmal küssen wir uns zur Begrüßung. Manchmal gehen wir einander jahrelang aus dem Wege. Wir sind Frauen, ungeachtet der Länge unserer Hosen und der dichten Bärte.

Dieses Jahr konnte ich leider nicht die Äffchen besuchen, ich habe meinen Leib kuriert. Ich hoffe, dass sie auch ohne mich ihre Bananen serviert bekommen.

Aber wenn sich nun einmal die Gelegenheit zum Nichtstun bot, beschloss ich, mich dem Müßiggang ganz in der Nähe zu überlassen, in einem Sanatorium, wo es Radonbäder gibt.

Man darf diese Bäder nicht mehr als dreimal wöchentlich anwenden. In diesem Ort ist das Radon besonders stark. 700 in irgendwelchen Einheiten. Aber man kann sich einig werden… Und so lag ich jeden Tag darin.

Und dann geschah es.

Die Sonne kam hervor, der Chef der Bäderabteilung hatte mich mit einer Plane zugedeckt und die Badewanne ins Freie gerollt. Es war Februar, es lag Schnee und die Sonne blendete. So lag ich nun, nur der Kopf schaute heraus.

Ich musste niesen. In dem Moment glitt ein Schatten heran, und auf meinem Bauch (auf der Lederabdeckung) ließ sich eine Eule nieder. Ich erschrak. Das ist normal. Ich schielte zur Seite, und ich sah, wie der Bäderchef mir vormachte, was ich tun sollte: die rechte Backe aufblasen und mit dem Finger dagegen klopfen.

Meine Hände sind in das Radon getaucht. Die Eule ist ganz nah. Ich ziehe eine Hand heraus und klopfe gegen die Backe. Die Eule zuckt mit den Schultern (so scheint es mir), zieht sich zum Rand der Badewanne zurück und richtet ihre Augen wie eine Doppelflinte auf mich. Ich kann nirgendwo anders hinschauen. Ich sehe ihr in die Augen.

Es kann sein, dass ich eingenickt bin. Vielleicht lag es an dem Radon. Vielleicht daran, wozu ich lebe…

… ich laufe irgendwo hin mit einer Menschenmenge. Lärm. Ein Bahnhof, aber wie an einem Feiertag.

Durch die Rücken der Menschen hindurch sehe ich eine Vorstellung… Es ist AKHE. Sie hängen über einer Bühne. Die Arme und Beine stecken in Schlingen, ebenso alle Möbel… ich erinnere mich nicht, was sie tun. Irgendetwas Einfaches. Alle wissen das und wollen weiter.

Aber es geht nicht weiter, weil die ganze Vorstellung nach unten sinkt.

Die Bühne hat keinen Boden und die Zuschauer rennen eine Etage tiefer, um die Fortsetzung zu sehen.

Hier ist die Vorstellung kürzer… Es geht immer schneller abwärts. AKHE wirkt sehr konzentriert.

Die Anordnung der Seile scheint etwas zu diktieren. AKHE ist nie ein Theater gewesen. Jetzt kann das jeder sehen. Sie sind die Schaffner auf dem Weg nach unten. In diesem vielgeschossigen Supermarkt. Ich kann nicht weiter mit den anderen nach unten laufen. Ich biege ab in eine Warenabteilung. Ein Verkäufer herrscht mich an. Nicht anfassen!..

Ein plötzlicher Zornesausbruch. Ich schleudere irgendeinen Gegenstand auf den Fußboden, laufe über eine Treppe. Die Menschen werden weniger, AKHE bewegt sich immer schneller. Ich ahne, dass sie die Segel setzen. Sie selbst sind auf den Masten. Ich ahne, wie es ausgehen wird, renne nach unten… immer tiefer… ein Personaleingang … tiefer… Mit mir laufen noch einige ebenso ernste Menschen… Über uns ist ein Loch, und von oben her schallt der Beifall. Pascha und Maxim sinken unaufhaltsam und mit äußerster Präzision. Ich und noch einige Zuschauer, es sind Männer, stehen am Rand eines mit Wasser gefüllten Kraters. Darin wird AKHE gleich versinken. Ich kann es nicht aufhalten. Und ich werde es nicht sehen. Ich sehe die umher stehenden Männer an. Sie sind sehr russisch gekleidet, in Schwarz und Grau. Die Farben von AKHE sind wundervoll, wie die der Briefmarken aus Guinea…

Ich sehe die Eule an. Das Lämpchen blinkt. Es ist Zeit aus dem Bad zu steigen. Mein Finger liegt noch an der Backe, er ist fast erfroren.

 


 

Zeichnung von Elena IarovaiaFoto - Elena IarovaiaAVIA in Concert. St Petersburg, Feb. 2011. Foto - Elena IarovaiaMaxim Issaev. Foto - Elena Iarovaia
Bad Brambach. Foto - Elena IarovaiaZeichnung von Vadim VasilievBe there... Foto - Anton AdassinskyPavel Semtchenko bei der Aktion WEISSE FESTUNG. Foto - Silvio Dittrich

 

Text: Anton Adassinsky
Übersetzung: Rainer Jäckel
Fotos: Elena Iarovaia, Silvio Dittrich, Anton Adassinsky
Bilddesign: Elena Iarovaia

 

 

AKTUELL - 15.08.2007

15. 08. 2007, 12:45 | by DEREVO
русскийenglish



AKTUELLIch kann meine Hände gut erkennen. Um mich herum stehen alte Autos. Anscheinend arbeite ich in einer Werkstatt. Ich arbeite allein.

Im Traum mache ich mir Sorgen, weil es höchste Zeit ist, diese Arbeitsstelle zu wechseln, aber es gibt da irgendwelche unklaren Verpflichtungen. Das ist nicht mein Traum. Es ist irgendein schlechter Film.

Ich bin überzeugt, dass ich schön und männlich bin. Ich suche den Spiegel und pfeife mir eins.

Kraftvolle Schläge gegen das Stahltor. Es wird langsam nach oben gezogen. Ein glühender Streifen Sonnenflut kriecht über den Boden.

Kunden. Aus den 30ern.

Der blonde Kerl bleibt am Lenkrad sitzen. Das Girl steigt aus. Zierliche Person.

Raucht und blinzelt. Mir scheint, ich kann den Jazz hören. Mir ist klar, wenn die Musik zu Ende ist, werde ich abgeknallt. Ich kenne dieses Pärchen. Das Girl ist Bonnie Parker.

Ich weiß, wie sie enden werden. Kurz nach ihrem 23. Geburtstag.

Eine von meinen Bekannten aus St. Petersburg hat sich eine Staatskarosse gekauft. Einen SIM, glaub ich.

Jeder Hohlraum war mit Sand ausgefüllt. Sollten wohl kugelsichere Türen.sein.

Im Traum kann man sterben. Daher antworte ich in gutem Englisch, dass ich ihre Gesichter kenne, dass in der Werkstatt kein Geld zu holen ist, und ich gebe ihnen den Tipp mit dem Sand in den Türen. Ich zeige ihnen, wo ich ihn einfüllen würde.

- Nicht schlecht, - sagt Bonnie (ich kann ihre Stimme nicht vergessen), - aber wo kriegen wir so viel Sand her, mein Junge?

- Aus dem Löschkasten, - ich setze ein Lächeln auf, so dass der Kerl es sehen kann.

Ich gehe zu dem Kasten. Die Tür wird zugeschlagen. Wahrscheinlich ist er ausgestiegen. Es ist heiß im Wagen.

Es ist eben Sommer.

Stalker. Photo - Elena IarovaiaFalcon. Photo - Elena IarovaiaCalifornia, Nov. 1989. After the Earthquake. Photo - Roman DubinnikovIgorek. Photo - Elena Iarovaia
Big Falcon. Photo - Elena IarovaiaMexico. Photo - Roman DubinnikovPragueSmile. Photo - Elena Iarovaia

Text von Anton Adassinskij
Übersetzung: Rainer Jäckel
Fotos: Elena Iarovaia, Roman Dubinnikow
Bilddesign: Elena Iarovaia

AKTUELL - 30.07.2007

30. 07. 2007, 22:48 | by DEREVO
русскийenglish



AKTUELLSein Name ist Dimmer.

Er stand als gewöhnlicher Koordinator vor uns. Er hätte alles sein können: Geheimagent, Drogenhändler, Präsident, Tänzer, Apfelsinenverkäufer, Sänger oder Kapitän auf einem Schiff. Die erste Begegnung auf dem Flughafen: wir sehen neben einem Auto eine stolze Silhouette, die von weitem an das Profil von Tovstonogov erinnert. Wir kommen schüchtern näher, die Gestalt verwandelt sich binnen Sekunden in Louis de Funes. Kleine Rolle vorwärts, und schon rasen wir unter Lachen und Weinen zum Hotel.

Ein Junge, der auf den Straßen des Brasilianischen Karnevals aufgewachsen ist. Ein Gaukler und Akrobat, einst ein Star des brasilianischen Zirkus’, heute ein grauer Vogel. Dimmer warf uns kopfüber ins Nachtleben von Brasilia.

Im Ganzen, in voller Größe, hat ihn niemand von uns zu Gesicht bekommen. Nur einzelne Teile: die Augen, die Hände, das biegsame Rückgrat, die fliegenden Augenbrauen. Er war überall und nirgends. Roma erschien er in Riesengestalt, Maxim hatte den Eindruck, er sei an altersschwacher Greis…

Mitten in der Nacht klopft es an die Tür:

– Anton! Antonio!
– Who is there?
– It’s me – Dimmer
– What’s happened?

Weiter geht es in Russisch, weil sein Englisch unfasslich ist und suspekt.

- Anton, danke für die wunderbare Vorstellung, ich bin so glücklich, dass ihr hier seid, und wie sich das Publikum freut, kommt immer und immer wieder, und ach und o… Das ist meine letzte Arbeit auf dem Festival, mich ruft meine Stimme, ich muss mich der Welt erklären, ich will eine LP mit dem Titel „Penetration“ aufnehmen, das ist ein Musical, in dem ich die Hauptrolle spiele, die zugleich die einzige ist… Das wird eine große Vorstellung, ganz Brasilia wird einbezogen sein.

Ich werde in einem Kasten sitzen und hungern. Darin ist ein Loch, das mit Fell ausgeschlagen ist. Jeder Einwohner meiner geliebten Stadt muss den Kopf da hinein stecken und mir in die Augen sehen. Jeder! Und wenn auch nur einer nicht zu dem Kasten kommt, werde ich sterben. Einen Monat halte ich durch, ich habe es ausgerechnet. Jeder hat 3 Sekunden. Die Musik schreibt Syd Barret. Es tut nichts zur Sache, dass er tot ist. Schon als Kind habe ich mit der Zunge gerollt: „Dolly Rocker, DollyRrrr…“

(Er zeigte mir, wie er das gemacht hat)

- Ich werde mich freuen, wenn ihr morgen rufen werdet: „Hey!! Hey!! Good-bye, Dolly Rocker!”

Am nächsten Morgen war er schon kein nächtlicher Besucher mehr, und der Abschied fiel nüchtern aus.

Lebewohl, Brasilien! Lebewohl, Karneval! Lebewohl, “roter” Dimmer, selbst wenn es dich nicht gegeben hat.

Photo - Alisa OleynikPhoto - Elena YarovayaPhoto - Elena YarovayaPhoto - Elena Yarovaya
Photo - Elena YarovayaPhoto - StykDimmer. Photo - Maxim DidenkoPhoto - Elena Yarovaya
Photo - Maxim DidenkoPhoto - Elena YarovayaPhoto - Elena YarovayaPhoto - Elena Yarovaya
Photo - Alisa OleynikPhoto - StykPhoto - Styk

Text von Roman Gabria, Max Didenko, Anton Adassinskij
Übersetzung: Rainer Jäckel
Fotos von Elena Iarovaia, Maxim Didenko, Alissa Olejnik, Elena Schtykova
Bilddesign von Elena Iarovaia

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AKTUELL - 04.09.2006

04. 09. 2006, 23:31 | by DEREVO
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AKTUELLSobald der 29. August anbricht, setzen wir uns sofort in den Bus und besuchen auf der Stelle Loch Ness, die „Scharmanka“ in Glasgow, das Walter-Scott-Haus, das Museum der Federn, absolut alles. So dachte DEREVO Anfang August. Dann folgten 24 „Ketzal“ - Vorstellungen auf dem Edinburgh - Festival. Am 29.08.2006 wollte die halb tote Gruppe DEREVO getreu ihrem Vorsatz ins Auto steigen. Die Schlüssel waren weg. Wir suchten eine Weile, ohne uns recht Mühe zu geben, und legten uns schlafen…

Es träumten uns fünf Träume, von denen ich einige Bruchstücke erzählen will.

Anton.
Im Sprechzimmer beim Arzt. Der rechte Arm muss amputiert werden. Die Frage ist, wie viel übrig bleiben soll. Einen Stumpf könnte man lassen. Mir gefällt das nicht. Ich will, dass er glatt an der Schulter abgetrennt wird. So wirkt es besser auf der Bühne. Im Laufe des Gesprächs kann ich den Blick von einem Bild hinter dem Rücken des Arztes nicht losreißen. Da ist ein Loch in der Wand, durch das die Bühne zu sehen ist. Ich sehe „Ketzal“. Statt meiner tanzt Di. Mir kommen die Tränen.

Schtyk.
Liegt auf der Seite in einer Wasserlache. Das Wasser ist sanft und ölig. Sie hat Angst den Kopf zu heben. Weil ihr Gesicht im Wasser zurückbleiben könnte.

Buda.
Sie fällt nach unten in ein grünes Feld. Es fängt an zu regnen. Sie fällt mitten unter den Regentropfen. Mit der selben Geschwindigkeit.

Di.
Er sitzt am Steuer eines Flugzeugs. An seinen Rücken presst sich der Rücken des Heckschützen. Sie sind wie Siamesische Zwillinge. Es ist Nacht. Sie fliegen einsam, irgendwo hin, aus irgendeinem Grund. Auf einmal wird es sehr hell. Ein Lichtstrahl hat sie erfasst. Sie warten auf den Schuss, am Rücken des Kopiloten wird es warm.

Ga.
Licht und Lärm. Viel von allem, und alles geht sehr schnell. Am Himmel stehen fünf Sonnen und die Wolken fliegen im Kreis. Ein paar Gesichter kommen näher. Alle mit kleinen bösen Schnurrbärten.
„Ich brauche eine Fahne“, denkt Ga, „auf jeden Fall eine Fahne. Am Pol geht es nicht ohne Fahne“.

Alissa ist in der Badewanne eingeschlafen. Sie hat gefroren und weiß nicht mehr,

Max hat die Schlüssel gesucht.


KETZAL. Edinburgh. Photo - Anna BogodistKETZAL. Edinburgh. Photo - Anna BogodistKETZAL. Edinburgh. Photo - Anna BogodistEdinburgh. Photo - AlisaEdinburgh. Photo - DiKETZAL. Edinburgh. Photo - DEREVOKETZAL. Edinburgh. Photo - Anna BogodistEdinburgh. Photo - DEREVOEdinburgh. Photo - Anna BogodistKETZAL. Edinburgh. Photo - DEREVOKETZAL. Edinburgh. Photo - Anna BogodistKETZAL. Edinburgh. Photo - DEREVOEdinburgh. Photo - DEREVOKETZAL. Edinburgh. Photo - Anna BogodistEdinburgh. Photo - DEREVOEdinburgh. Photo - Alisa

Übersetzung: Rainer Jäckel
Foto: Anna Bogodist, Di, Alissa und/oder DEREVO